EuGH: Finanzieller Ausgleich auch bei Flugannullierungen wegen unerwarteter technischer Probleme
von Kai-Julian Folkerts
Technische Probleme könnten zu den ausgewöhnlichen Umständen zählen. Dies setzte jedoch voraus, dass sie ein Vorkommnis betreffen, dass nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur nicht von ihm zu beherrschen ist. Zwar seien unerwartete technische Probleme ein unerwartetes Vorkommnis. Ausfällen der Technik vorzubeugen oder die Durchführung einer Reparatur seien jedoch vom Luftfahrtunternehmen zu beherrschen.
Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin einen Flug von Quito (Ecuador) nach Amsterdam gebucht. Der Flug hatte 29 Stunden Verspätung, weil eine hydraulische Pumpe und eine hydromechanische Einheit defekt gewesen seien und Ersatzteile erst aus den Niederlanden hätten eingeflogen werden müssen.
Das mit der Sache befasste niederländische Gericht hat den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Es wollte wissen, ob ein technisches Problem, das unerwartet auftritt, das nicht auf eine fehlerhafte Wartung zurückzuführen und auch nicht während einer regulären Wartung festgestellt worden ist, unter den Begriff "außergewöhnliche Umstände" i.S.d. Art 5 FluggastrechteVO fällt und somit das Luftfahrtunternehmen von seiner Ausgleichspflicht befreit.
In seiner Entscheidung weist der EuGH zunächst darauf hin, dass aus seiner bisherigen Rechtsprechung hervorgeht, dass technische Probleme tatsächlich zu den außergewöhnlichen Umständen zählen können. Die Umstände im Zusammenhang mit dem Auftreten dieser Probleme könnten jedoch nur dann als "außergewöhnlich" eingestuft werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist.
Da jedoch der Betrieb von Flugzeugen unausweichlich technische Probleme mit sich bringt, sähen sich Luftfahrtunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit gewöhnlich solchen Problemen gegenüber. Im Hinblick hierauf könnten technische Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, als solche keine "außergewöhnlichen Umstände" darstellen.
Weiter weist der EuGH darauf hin, dass ein Ausfall, der durch das vorzeitige Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs hervorgerufen wurde, zwar ein unerwartetes Vorkommnis darstellt. Dennoch bleibe ein solcher Ausfall untrennbar mit dem sehr komplexen System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden, das vom Luftfahrtunternehmen oft unter schwierigen oder gar extremen Bedingungen, insbesondere Wetterbedingungen, betrieben wird, wobei kein Teil eines Flugzeugs eine unbegrenzte Lebensdauer hat. Daher sei dieses unerwartete Vorkommnis im Rahmen der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, und das Luftfahrtunternehmen sehe sich dieser Art von unvorhergesehenen technischen Problemen gewöhnlich gegenüber.
(EuGH, Urteil vom 17.09.2015, Az.: C-257/14)
Rechtsanwalt Kai-Julian Folkerts steht Ihnen für eine weitergehende Beratung gerne zur Verfügung.