BGH: Vorlage an den EuGH zu Ausgleichsansprüchen wegen Flugverspätung
von Kai-Julian Folkerts
Im Ausgangsfall beanspruchen die Kläger Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400,- € wegen eines verspäteten Flugs nach Art. 7 Abs. 1 lit. b VO.
Sie buchten bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise mit Flügen von Hamburg über Las Palmas nach Fuerteventura. Der Flug von Hamburg nach Las Palmas, der von der Beklagten durchgeführt wurde, sollte um 12:40 Uhr starten und um 16:30 Uhr landen. Im Anschluss sollten die Kläger um 17:30 Uhr mit einer anderen Fluggesellschaft weiter nach Fuerteventura fliegen. Nach dem Vortrag der Kläger kam der Zubringerflug in Las Palmas mit einer Verspätung von etwa 20 Minuten an; die Kläger verpassten deshalb den Anschlussflug und erreichten Fuerteventura mit einer Verspätung von etwa 14 Stunden.
Das AG Hamburg hat die Klage abgewiesen (Urt. v. 12.02.2015 – 22a C 285/14), die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben.
Das Berufungsgericht (LG Hamburg, Urt. v. 06.11.2015 – 320 S 41/15) hat die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung – eine Verspätung am Zielort von drei Stunden oder mehr – verneint. Der erste Flug sei nur geringfügig verspätet angekommen. Für die Gesamtverspätung habe die Beklagte nicht einzustehen, weil sie den Anschlussflug nicht durchgeführt und keinen Einfluss auf die Koordination der beiden Flüge durch den Reiseveranstalter gehabt habe. Der Fluggast werde dadurch nicht schutzlos gestellt, da ihm Gewährleistungsansprüche gegen den Reiseveranstalter zustehen könnten.
Der Bundesgerichtshof ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch in dieser Konstellation noch nicht hinreichend geklärt sind. Deshalb hat er den für die Auslegung der Fluggastrechteverordnung zuständigen Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Vorabentscheidung ersucht.
Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Verspätung von drei Stunden oder mehr am Endziel (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 – C-407/07 und C-432/07, Slg. 2009 I-10923 – Sturgeon; BGH, Urt. v. 07.05. 2013 – X ZR 127/11, NJW RR 2013, 1065). Endziel ist der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein, bei direkten Anschlussflügen ist der Zielort des letzten Fluges maßgebend. Nicht hinreichend geklärt ist die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch zusätzlich voraussetzt, dass das die Verspätung verursachende Luftfahrtunternehmen einen Flugschein oder eine Buchungsbestätigung für beide Flüge ausgegeben hat, oder ob es ausreicht, wenn eine entsprechende Buchungsbestätigung durch einen Reiseveranstalter erteilt wird.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich bisher nur mit der zuerst genannten Fallkonstellation befasst (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.2013 – C-11/11 – Folkerts, RRa 2013, 78 = NJW 2013, 1291).
Der Bundesgerichtshof neigt dazu, einen Ausgleichsanspruch auch in der zweiten Konstellation zu bejahen. Da sich dieses Ergebnis aus dem maßgeblichen europäischen Recht aber nicht hinreichend sicher ableiten lässt, hat er dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die oben formulierte Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Pressemitteilung des BGH, Nr. 127/2016 vom 19.07.2016.
Rechtsanwalt Kai-Julian Folkerts steht Ihnen für eine weitergehende Beratung gerne zur Verfügung.