BGH: Ausgleichsanspruch wegen Flugverspätung bei Kollision mit einem Gepäckwagen

von Kai-Julian Folkerts

Die Kläger begehrten von der Beklagten eine Ausgleichsleistung nach der FluggastrechteVO 261/2004 wegen Verspätung eines Flugs von Frankfurt a.M. nach Windhoek. Der von den Klägern gebuchte Flug sollte planmäßig am 01.06.2014 um 20:10 Uhr starten und am Tag darauf um 5:30 Uhr landen. Die tatsächliche Ankunftszeit war 18:30 Uhr.

Als Grund für die Verzögerung gab das verklagte Luftfahrtunternehmen an, das eingesetzte Flugzeug sei am Tag des geplanten Abflugs beschädigt worden, als es in Frankfurt auf einer Parkposition gestanden habe und zwei Gepäckwagen mit ihm kollidiert seien, die nicht hinreichend gegen unkontrolliertes Wegrollen gesichert und durch den Turbinenstrahl eines anderen Flugzeugs in Bewegung versetzt worden seien. Wegen der Beschädigung habe sie ein anderes Flugzeug einsetzen müssen, das erst am 2. Juni in Frankfurt eingetroffen sei.

Das AG Frankfurt am Main (Urt. v. 09.03.2015 - AZ: 29 C 3724/14 (44) ) und das LG Frankfurt am Main (Urt. v. 25.06.2015 - AZ: 2-24 S 65/15) gaben der Klage antragsgemäß statt und verurteilten die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 1.200 € nebst Verzugszinsen.

Die Revision der Beklagten hatte jedoch vor dem BGH keinen Erfolg.

Das LG Frankfurt am Main ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass den Klägern ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusteht und dass dieser Anspruch nicht nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung ausgeschlossen ist.

Außergewöhnliche Umstände, die nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung einem Ausgleichsanspruch wegen Annullierung oder erheblicher Verspätung entgegenstehen können, sind Umstände, die außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Dies sind Ereignisse, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als jedenfalls in der Regel von außen kommende besondere Umstände dessen ordnungs- und planmäßige Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können.

Umstände, die im Zusammenhang mit einem dem Luftverkehr störenden Vorfall wie einem technischen Defekt auftreten, können nur dann als außergewöhnlich i.S.v. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgehen, das wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgezählten Ereignisse nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Kollision eines Flugzeugs mit einem Treppenfahrzeug als ein Vorkommnis anzusehen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist. Ausschlaggebend dafür ist der Umstand, dass solche Fahrzeuge bei der Beförderung von Fluggästen im Luftverkehr notwendigerweise eingesetzt werden, so dass die Luftfahrtunternehmen regelmäßig mit Situationen konfrontiert sind, die sich aus dem Einsatz solcher Treppenfahrzeuge ergeben.

Für den hier zu beurteilenden Fall einer Kollision mit einem Gepäckwagen gilt nichts anderes. Auch solche Fahrzeuge werden bei der Beförderung von Fluggästen im Luftverkehr notwendigerweise eingesetzt. Ein Luftfahrtunternehmen ist deshalb in vergleichbarer Weise regelmäßig mit Situationen konfrontiert, die sich aus dem Einsatz solcher Fahrzeuge ergeben. Dies gilt unabhängig davon, ob das beschädigte Flugzeug oder das mit ihm kollidierende Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision in Einsatz waren. Zum typischen Betrieb gehören auch Situationen, in denen ein Fahrzeug oder Flugzeug auf dem Flughafengelände abgestellt, aber dennoch den typischen Gefahren eines Flughafenbetriebs ausgesetzt ist. Eine solche Situation war bei dem von der Beklagten vorgetragenen Geschehensablauf gegeben.

Daher kann Fluggästen in einem solchen Fall ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zustehen. Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, begründen grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände, sondern sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens. Die Kollision eines Flugzeugs mit einem Treppenfahrzeug oder einem Gepäckwagen ist als ein Vorkommnis anzusehen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist. Auch solche Fahrzeuge werden bei der Beförderung von Fluggästen im Luftverkehr notwendigerweise eingesetzt.

(Urteil des BGH vom 20.12.2016, Az.: X ZR 75/15).

Rechtsanwalt Kai-Julian Folkerts steht Ihnen für eine weitergehende Beratung und Durchsetzung Ihrer reiserechtlichen Ansprüche gerne zur Verfügung.

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